Während eines Aufenthaltes auf Usedom ist es empfehlenswert,das Historisch-Technische Museum (HTM) in Peenemünde zu besuchen, das für seine Besucher zwei interessante Sonderausstellungen vorbereitet hat. Die erste Sonderausstellung unter dem Titel „Imprinting History“ stellt Kunstwerke des spanischen Malers Gregorio Iglesias Mayo und des mexikanischen Druckgrafikers Miguel A. Aragon dar, die im Sommer 2015 auf dem Museumsgelände angefertigt worden sind.
Die Resultate der künstlerischen Auseinandersetzung mit Peenemünde und seiner Geschichte sind ein Gemälde mit dem gewaltigen Ausmaß von 37 x 12 Metern und 70 Druckgrafiken, die nun im Kesselhaus des Peenemünder Kraftwerkes erstmals präsentiert werden. Die Künstler arbeiteten im Freien und ließen die Leinwand und das Papier ganz bewusst von Wetter und Boden, aber auch durch Gebäudeteile, Holz- und Metallstücke prägen, um so einen direkten Bezug zum authentischen Ort und zu seiner Geschichte herzustellen. Dass sich zwei renommierte spanische bzw. amerikanische Künstler mit Peenemünde beschäftigen und dabei helfen, den internationalen Bekanntheitsgrad des HTM Peenemünde zu steigern, demonstriert die europäische und globale Bedeutung des Ortes. Zudem eröffnet die künstlerische Herangehensweise eine neue Reflexions- und Vermittlungsebene, die das historiographische Herangehen des Museums ergänzt. Den Museumsgästen wird somit eine neue Besuchserfahrung geboten und ein neuer Blickwinkel aus dem Heute in die Vergangenheit eröffnet. Die Ausstellung ist eine Kooperation des HTM mit dem Till Richter Museum in Buggenhagen. Auch dort werden derzeit Werke der Künstler gezeigt, die 2015 in Peenemünde entstanden sind. Die Ausstellung ist bis zum 09. Oktober geöffnet. Die zweite Sonderausstellung umfasst eine Sammlung von etwa 130 Objekten, Fotos, Filmen und Dokumenten unter dem Titel „Wunder mit Kalkül. Die Peenemünder Fernwaffenprojekte als Teil des deutschen Rüstungssystems“. Peenemünde war von 1936 bis 1945 ein Rüstungszentrum enormen Ausmaßes. Auf einer Fläche von 25 km² arbeiteten bis zu 12 000 Menschen gleichzeitig an Fern- und Präzisionswaffen. Die Anlagen verbrauchten immer mehr finanzielle, materielle und personelle Ressourcen. Deren Zuweisung erfolgte nicht ohne staatliche Kontrolle. Unterschiedliche Ämter des Militärs und der Ministerialbürokratie, das Oberkommando des Heeres, das Reichsluftfahrtministerium, das Rüstungsministerium, die Vierjahresplanbehörde und schließlich die SS überwachten den Fortgang der Arbeiten und stellten hohe Erfolgserwartungen. Die Projekte mussten ihre Nützlichkeit für den kriegführenden NS-Staat beweisen oder zumindest glaubhaft in Aussicht stellen. Sie standen in Konkurrenz zueinander und zu allen anderen Rüstungsvorhaben. Um das deutsche Militär konkurrenzfähig gegenüber seinen Kriegsgegnern zu machen, konnten Waffensysteme nicht allein kontinuierlich, schrittweise verbessert werden. Schnelle und weitreichende Innovationssprünge, technische Revolutionen waren nötig. Die Hoffnung, durch neuartige Waffen den Krieg trotz offensichtlicher Unterlegenheit zu gewinnen, steigerte sich hin zum Glauben an das Kommen eines technischen Wunders. Das „deutsche Wunder“, als das sich der Nationalsozialismus verstand, sollte durch rationale Innovationsplanung hergestellt werden. Ein zentraler Ort, an dem das Wunder der Technik in industriellem Maßstab realisiert und so die Voraussetzung für das politische Wunder geschaffen werden sollte, war Peenemünde. Die Ausstellung zeigt den Aufwand, der zur Realisierung der neuartigen Militärtechnik nötig war. Sie stellt diesem aber auch die Nutzerwartungen der politischen Entscheidungsträger gegenüber, die sich gleichermaßen aus einem strategischen Kalkül wie einer wahnhaften Utopie speisten. Im Mittelpunkt steht die Frage nach den sozialen und kulturellen Gründen hinter den Tätigkeiten in Peenemünde. Daneben gibt die Ausstellung Anlass zur Reflexion über die moralische Dimension dieses Rüstungsstandortes. Die Ausstellung ist bis zum 15. November geöffnet.